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Von Grebbin nach Pinnow

Donnerstag, 29. August 2019

Von Bützow nach Rostock

Warnow-Tag 3: Richtige Radwege!
gefahren im: August 2019
Start: Bützow, Mühlenvilla
Ziel: Rostock, Altstadt
Länge: 40 km
Warnowquerungen: 0
Ufer: links
Landschaft: grüne Hügel mit Windrädern
Wegbeschaffenheit: Radweg
Steigungen: nur niedrige
Wetter: wechselhaft regnerisch
Wind: leichter Gegenwind
Größte Hürde: Platzregen in Schwaan
Highlight: Rostocker Zoo
Zitat des Tages: "Eine Pizza Hawaii ohne Schinken, bitte."

Eine unserer Gangschaltungen gab in Bützow ihren Geist auf. Wir ließen das Rad in einer Bützower Werkstatt, denn die Werkstätten in Rostock waren alle übervoll. Zwei Tage später kehrten wir mit dem Zug zurück, holten es ab und radelten den nächsten 40 Kilometer langen Abschnitt nach Rostock, um es zu testen.

Zunächst überquerten wir einen Arm der Warnow, der unter einer Brücke hindurch in den Bützower See fließt. Wir fuhren vorbei am sogenannten "Südlichen Warnowland und Burg Werle" (Google Maps nennt es jedenfalls so). In dieser Burg verschanzte sich Niklot, der letzte Slawenfürst, der die christlichen Wessis bekämpfte, die sich immer weiter ausbreiteten. Einige Jahre zuvor hatte Niklot noch Hamburg verwüstet, aber 1160 wurde er hier in die Enge getrieben und erschlagen.

Dann wendet sich die Hauptstraße nach links, doch vor uns führt ein wundervoller Weg weiter. Eigentlich heißt er Bützower Landstraße, aber alle nennen ihn Pflaumenbaumweg, weil da halt sehr viele Pflaumenbäume wachsen. Und eigentlich ist das kein reiner Radweg, aber Autos sind da sehr selten unterwegs, höchstens mal ein Trecker oder jemand, der sein Auto am Wegesrand geparkt hat, während er Pflaumen pflückt.

Ab Bützow radelten wir auf dem Radfernweg Berlin-Kopenhagen. Und das merkt man. Wir sind wieder in der Zivilisation angekommen, es gibt richtige Schilder und gute Wege.
Bei Passin überquerten wir die Hauptstraße. Man könnte auch direkt auf der großen Straße fahren, der Weg liegt dichter an der Warnow. Doch auf solche Abenteuer hatten wir nach der letzten Tagesetappe keine Lust mehr.

Das Dorf Passin hat Pferde und ein Niederdeutsches Langhallenhaus.

Der Radweg entfernt sich etwas von der Warnow, er zieht sich in einem weiten Bogen über kleine Hügel, Mais- und Stoppelfelder, durch Windparks, Hohlwege und kleine Dörfer mit Froschteichen, zum Beispiel Hof Tatschow. In der Karte waren ein paar Steigungen eingezeichnet, aber die erwiesen sich als ziemlich harmlos.

Ein Dorf hatte einen alten Gutshof. Das dazugehörige Grundstück wird von einer großen Mauer eingegrenzt.

Dann folgt ein nasser Birkenwald und wir haben die halbe Etappe geschafft.

Auf der Hälfte der Strecke liegt Schwaan. Durch diese ehemalige Ackerbürgerstadt rauschen eine Menge Autos. Wir stärkten uns mit Nudeln in einer Pizzeria namens "Die Pizzeria" und warteten den Regen ab, bevor es weiterging. Außer Kirche und Pizzeria ist in Schwaan jetzt nicht so viel, dennoch wären wir froh gewesen, hätte es während der ersten beiden Etappen noch mehr Orte wie Schwaan gegeben.

Naja, eine Sehenswürdigkeit hat Schwaan noch: Die Kunstmühle. Die habe ich vor einigen Jahren mal besichtigt. Da hängen Landschaftsgemälde der Region. In Schwaan gab es im 19. Jahrhundert eine Künstlerkolonie. Die Maler konnten die Realität ebenso echt (oder echter) abbilden wie ein Foto - ich frage mich immer, wie die das damals gemacht haben.

Hier mündet noch die Beke in die Warnow.

Hinter Schwaan führt der Radweg ein Stückchen bergauf. Das ist der schönste Abschnitt dieser Tagesetappe, wenn nicht sogar der gesamten Warnow. Die Aussicht auf das Untere Warnowland ist toll.

Danach führt ein Radweg neben der Straße schnurgeradeaus weiter, durch weitere Dörfer, die auf -ow enden, zum Beispiel Pölchow. Das Dorf Huckstorf hat eine Ökohaussiedlung.

Am Wegesrand steht auch das rustikalste Insektenhotel, dass ich kenne.

Hier hat offenbar jedes Haus seine eigene Bushaltestelle.

Schließlich überquerten wir noch die Autobahn und steuerten auf Rostock zu.

Rechts neben der Straße liegen einige Dörfer, zwischen denen man ebenfalls herumradeln kann. Die Wege dort bestehen aus Betonplatten oder Erde, aber dafür kommt man dort noch einmal dichter an den Fluss heran.

Die Warnow fließt unter einer monströsen Stahlbrücke hindurch. Obendrauf saust die Bahn entlang, weiter unten gibt es einen Fußweg, den man jedoch eigentlich nicht betreten darf. Wer es dennoch tut, sollte nicht zu schwache Nerven haben. Durch den Gitterboden hat man direkten Blick auf das Wasser und einen Teil des Auf- und Abstiegs legt man nicht auf einer Treppe, sondern auf einer Rampe zurück!

In der Nähe liegen noch zwei Badestellen, die bei den Rostockern sehr beliebt sind: Der weite Sildemower See und die tiefe Papendorfer Erdkuhle.

Der Radfernweg Berlin-Kopenhagen will uns nun über eine stark befahrene Straße weiter westlich in die Stadt reinführen. Falls man zufällig möglichst schnell zum Rostocker Zoo oder in die dortigen Stadtteile möchte, ergibt dieser Weg Sinn, ansonsten aber eher nicht so.
Deshalb sind wir der Straße noch ein bisschen weiter gefolgt, bis der Radweg leicht nach rechts abknickt, vorbei an einem Erdbeerfeld zum Selberpflücken und einem Reiterhof für die urbanen Pfedemädchen. Meiner Meinung nach ist das die beste Radroute nach Rostock, wenn man aus dieser Richtung kommt. Sie führt nur über Radwege und wenig befahrene Straßen.

Durch diesen östlicheren Ortseingang gelangten wir auf die Schwaaner Landstraße zwischen Altersheime und Kleingärten.

Anschließend haben wir diesen Tunnel mit stark verschnörkelter Rampe durchquert, über dem der Nah- und Fernverkehr zum Hauptbahnhof rauscht.

Nach einer weiteren stählernen Eisenbahnbrücke schlängelt sich die Warnow langsam in die Stadt hinein. Auf diesem Flussabschnitt bin ich auch schon mehrmals gepaddelt. Die Warnow wird ab und zu durch Schilf, Matsch und Holzbohlen in mehrere Flussarme getrennt. In diesem Sumpf siedelten einst slawische Stämme. Da konnte sie kein Fremder angreifen, weil er die Wege nicht kannte. Das war der Ursprung der größten Stadt in MV: Rostock.
Heute liegen am Flussufer anstatt Slawenhütten ein Kanuverleih und das Flussbad. Dort tummeln sich im Sommer Menschen im tiefschwarzen Wasser, springen vom Sprungturm und leihen sich riesige Gummiringe aus - das Flussbad ist das, was in Rostock einem Freibad am nächsten kommt. (Eine Stadt mit Ostseestrand hat nun einmal keinen akuten Freibadbedarf.)
Die Warnow passiert den Mühlendamm, an dem sie für kurze Zeit nach Osten abknickt.

Vor einigen Jahren war diese Gegend noch ziemlich verwildert, aber mittlerweile wurden hier große Wohngebiete hochgezogen, inklusive Spielplätze und Fitnessgeräte.

Der Fluss ist noch recht schmal, doch man sollte ihn nicht unterschätzen. Anfang 2019 drückte eine Sturmflut so viel Wasser in die Warnow, dass die Straßen und Autos überflutet wurden. Die Leute nahmen das relativ gelassen hin, standen in ihren Hauseingängen und winkten.

Die Hochwassergefahr ist vielleicht auch einer der Gründe, warum sich der Standort der Slawen im Sumpf nicht durchsetzte. Als im Frühmittelalter Siedler aus dem Westen kamen, errichteten sie ihre Stadt oben auf einem Berg (beziehungsweise einer leichten Anhöhe, immerhin sind wir in Mecklenburg), wie es bei ihnen üblich war. So entstand der älteste Stadtteil Rostocks: Die östliche Altstadt. Die slawischen Ureinwohner mussten sich anpassen und zogen als Unterschicht an die Unterseite des Berges, wo alles Abwasser herunterfloss.
Die Keimzelle der Stadt ist der Alte Markt, wo einst das Rathaus stand. (Heute ist da eine Grundschule). Die Petrikirche, älteste und höchste Kirche der Stadt, steht hingegen immer noch da. Ihre Fundamente sind das einzige auf diesem Platz, das die 800 Jahre überdauert hat.

Unter der Petrikirche erhebt sich die Petrischanze. Hier beginnt ein Rundweg um die Stadtmauer, der zahlreiche Lücken aufweist. Von den 18 Stadttoren stehen nur noch vier. Das Petritor an der Petrischanze wurde zum Beispiel in der DDR gesprengt, um mehr Platz für Straßenverkehr zu schaffen. Zur Zeit wird über einen Wiederaufbau diskutiert, aber die Entwürfe enthielten etwas zu viel moderne Architektur und wurden im Internet von den Bürgern in der Luft zerrissen.

Das Denkmal oben an der Mauer erinnert an den Rostocker Reformator Joachim Slüter. Der wurde vom Herzog Heinrich V. in Schwerin eingesetzt. Nicht dass der Herzog mit den Protestanten sympathisierte - er hoffte, dass Slüters Predigten einen gewaltsamen Aufstand verursachten, er mit seinen Truppen intervenieren durfte und sich die Schätze der Stadt zur Begleichung seiner Schulden schnappen konnte. Das passierte aber nicht, Slüters Anhänger blieben friedlich. Slüter predigte als erster Priester auf Plattdeutsch. Ironischerweise verbot ihm Luther das später, er sollte gefälligst hochdeutsch predigen.

Von der Petrischanze aus ist auch die Warnow gut zu sehen. Die letzten beiden Brücken führen über den Fluss, eine für die Autos und eine für Straßenbahn, Fußgänger und Radfahrer.

Dann fließt sie um die Holzhalbinsel. Dort wurde früher Holz verarbeitet, doch mittlerweile wurden die alten Werke abgerissen und Wohnhäuser, ein hässliches Parkhaus und ein Edeka errichtet. (Der sumpfige Boden wurde für die Häuser extra verstärkt, nicht aber für die Bürgersteige. Die sanken daher erstmal zwanzig Zentimeter abwärts.)
Gleich nebenan hat die AIDA ihren Firmensitz in einem modernen, geschwungenen Gebäude - diese Kreuzfahrtschiffe mit dem Knutschmund starten nämlich in Rostock. Wem das zu dekadent ist, der kann am anderen Ende der Halbinsel auch Drachenboot fahren oder Standup-paddeln.

Und wenn man dort herumrudert, sieht man etwas Erstaunliches.
Die Warnow knickt wieder nach Norden ab und wird auf einmal extrem breit. Daher kommt auch der Name Rostock - roz toc bedeutet auseinanderfließen auf Slawisch. Zumindest ist das die wahrscheinlichste Theorie über die Herkunft des Namens. Hier wird aus der Oberwarnow die Unterwarnow, und der Unterschied ist enorm. Eigentlich ist das kaum noch derselbe Fluss. Das eine ist ein dünnes Flüsschen, das andere fast schon eine Art Bucht oder Fjord, wo dieses Flüsschen reinmündet. Das Brackwasser ist so salzig, dass es schon als Teil des Meeres gilt.

Im Mittelalter haben die Handelsschiffe ihre Waren direkt an der Innenstadt abgeladen, am Stadthafen. Heute starten hier nur noch Ausflugsschiffe für Touristen. Der echte Seehandel spielt sich woanders ab.
Im Sommer findet hier immer das Ereignis schlechthin statt. Das heißt Hansesail und besteht im Wesentlichen aus drei Bestandteilen.
1. Karussells, Fahrgeschäfte, Fressbuden usw.
2. Auf Bühnen treten populäre Musiker und Seemannschöre auf, außerdem ein Abschlussgottesdienst.
3. Schiffe. Sie können auf einem historischen Segelschiff mitfahren, was Ihre Familie allerdings fast so viel kostet wie der Eintritt in einen Freizeitpark (immerhin kann man auf manchen Schiffen auch auf den Mast klettern, was tatsächlich ähnlich aufregend ist). Oder Sie belassen es eben beim kostenlosen Beobachten der Schiffe. Ein omnipräsenter Lautsprechertyp erklärt ständig, welche Boote gerade fahren.
Auf diesem Bild machen gerade ein paar Dampfschiffe Kunststücke. Sie drehen Pirouetten, stoßen beinahe zusammen, stoßen beinahe gegen die Kaimauer - und stoßen auch mal tatsächlich irgendwo an. So sieht es aus, wenn Schiffe glauben, sie seien Autoscooter.

Vermutlich sollte ich auch noch eines der Rostocker Stadttore zeigen, die heute noch stehen. Ich nehme hier aber mal nicht das bekannte Steintor oder Kröpeliner Tor, sondern das eher unbekannte rosafarbene Mönchentor. Das ist das einzige Tor, das heute noch unten am Stadthafen an der Warnow steht. Mönche haben da nie drin gewohnt, in der Mönchenstraße dahinter lebte nur vor langer Zeit eine relativ bekannte Familie dieses Namens.

Rostock hat noch mehr Kirchen: Auf dem Dach der Nikolaikirche liegen Solarplatten und unter dem Dach wohnen Gemeindemitglieder.
Die Häuser der Altstadt haben teilweise echt schiefe Wände, im Mittelalter hat man noch nicht so genau gebaut. Die Straßen wurden nach den dort ansässigen Handwerkern benannt, das hier ist zum Beispiel die Altschmiedestraße.

Hinter den Giebelhäusern am Neuen Markt steht die Marienkirche mit ihrer bekannten Astronomischen Uhr aus der Renaissance, die neben der Uhrzeit auch das Monat, Jahr, Sternzeichen und alles mögliche anzeigt. Vor einigen Jahren war die Scheibe mit den Jahreszahlen zu Ende und es musste eine neue eingesetzt werden. Anders als beim Maya-Kalender hat deswegen aber niemand behauptet, die Welt würde untergehen.
Die Pfosten am Markt (im Vordergrund) hingegen gehen auf ein Ereignis der neueren Geschichte zurück. Sie wurden aufgestellt, nach dem ein Pfosten mit einem LKW in den Berliner Weihnachtsmarkt gerast ist. Norddeutschlands größtem Weihnachtsmarkt soll so etwas nicht passieren, dafür kann man auch ein paar hässliche Stahldinger in Kauf nehmen.

Gegenüber steht das Rostocker rosa Rathaus. Es hat sieben Türmchen. In Rostock soll es von allen möglichen Dingen sieben Stück geben, Glocken in der Marienkirche, Lindenbäume im Rosengarten und so weiter. Die Rathaustürmchen sind aber das einzige Siebenergrüppchen, bei dem das noch komplett aktuell ist und man das auch direkt sieht.
Das Rathaus wurde seit hunderten von Jahren immer wieder neu angebaut und ist ein ziemlicher Mischmasch. Am ältesten ist der gotische Backstein, der sich heute hinter dem rosa Barock-Anbau versteckt. Der ist rosa, weil man in der DDR an allen Farbschichten auf dem alten Gebäude herumkratzte und herausfand, dass die älteste Farbe angeblich rosa war.
Auch das reicht heute nicht mehr, um eine Großstadt zu verwalten, und daher wurden noch das graue Ortsamt (rechts), wo Ausweise ausgestellt werden, und der gläserne Flügel (links) angebaut. Rostock hat kein neues und altes Rathaus wie andere Städte, sonders alles in einem. Mittendurch führt ein gläserner Tunnel.

Also, jetzt mal ganz nüchtern betrachtet, was hat Rostock im Vergleich zu anderen Städten? Eine historischen Altstadt haben ja fast alle Städte. Das Meer ganz in der Nähe, das ist natürlich ein großer Pluspunkt. Aber dann braucht man noch eine Attraktion, falls es nicht warm genug fürs Meer ist. Einen Freizeitpark? Ein besonderes Museum? Nun, Rostock hat für diesen Fall einen relativ großen Zoo. Genau ist das Europas bester Zoo (kleingedruckt: aber nur in Kategorie II), damit wirbt er.
Angefangen hat das damit, dass ein Förster im Barnstorfer Wald vor etwa 100 Jahren ein Gehege mit einigen einheimischen Wildtieren errichtet hat, damit die Leute sie beobachten und etwas lernen können. Dieses Gehege kann heute noch mitten im Zoo besichtigt werden, doch rundherum ist noch einiges dazugewachsen. Der Zoo ersetzt dabei nach und nach seine alten, hässlichen und nicht sehr tierfreundlichen Gehege. Die grauenhaften Käfige der Menschenaffen wurden durch das gewaltige Darwineum ersetzt, eine ultramoderne Halle mit Ausstellung zur Evolution vornedrin. Zuletzt waren die Eisbären dran. Das war auch nötig, denn deren "Bärenburg" aus Beton war wirklich keine Augenweide - obwohl die Eisbären die Haupttiere des Zoos sind und hier gezüchtet werden.

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